Ob nun 60%/40%, 70%/30% oder 80%/20% als Aufteilung zwischen Aktien und Anleihen - Anleihen sind und waren fester Bestandteil fast jeder institutionellen Asset Allokation. Selbst in Zeiten negativer Zinsen hat sich daran nicht grundlegend etwas geändert, haben doch - zumindest im Euroraum - stetig fallende Zinsen durchaus ansehnliche Kursgewinne beschert und die niedrigen Kupons kompensiert.
Nun macht es aber den Eindruck, als sei ein Boden gefunden und auch die 10-jährigen Bundesanleihen nähern sich immer weiter der Nullzinsgrenze, die das letzte Mal vor ziemlich genau zwei Jahren erreicht wurde:
In den USA steigen die Zinsen hingegen schon seit den Präsidentenwahlen stetig an. Diese Entwicklungen sind ein guter Anlass, zu rekapitulieren, welchen Beitrag Anleihen liefer(te)n, wo die Risiken liegen und was sich in Zukunft ändern könnte.
Es sind im Wesentlichen drei Beiträge, die Anleihen für ein Portfolio haben können:
Generierung eines festen Zahlungsstroms: Insbesondere für („Buy &Hold-“)Portfolien, die aufgrund externer Anforderungen einen regelmäßigen Zahlungsstrom generieren müssen, sind Kuponzahlungen ein wichtiger Baustein als feste Einkommensquelle.
Erzielung von Kursgewinnen: Als zusätzliche Ertragsquelle können bei sinkenden Zinsen zusätzlich Kursgewinne im Anleihebestand dienen. Je nachdem, wie die Anlagepolitik ausgestaltet ist (in welchem Umfang sind Verkäufe von Anleihebeständen zulässig), kann es sich hierbei um nachhaltige oder aber auch nur temporäre Effekte handeln.
Reduktion der Volatilität des Portfolios: Historisch haben Anleihen zur Reduktion der Portfoliovolatilität beigetragen, da sie weniger volatil als Aktien sind und die Kursentwicklung zwischen Aktien und Anleihen oftmals gegenläufig war.
Was hat sich daran in den vergangenen Jahren durch das Negativzinsumfeld geändert und wie kann sich ein steigendes Zinsumfeld auswirken? Dies schauen wir uns nachfolgend an.
Generierung eines festen Zahlungsstroms
Um einen positiven Zinsertrag im Euroraum zu generieren, reicht es schon lange nicht mehr aus, in langlaufende Staatsanleihen oder Pfandbriefe zu investieren. Es ist unvermeidlich, höhere Risiken einzugehen, um eine positive Gesamtrendite zu erzielen. Schaut man sich die Risikoprämien der vergangenen fünf Jahre an, so zeigt sich, dass die Honorierung für die Übernahme zusätzlicher Ausfallrisiken auf einem niedrigen Niveau liegt, wie exemplarisch der Spread der 5-jährigen Rendite zwischen Industrial-Anleihen mit Rating BBB und Rating A zeigt:
Der Renditeaufschlag, der sich über ein höheres Risiko realisieren lässt (hier: Rating BBB versus Rating A) ist insbesondere seit der Coronakrise deutlich reduziert.
Dies bringt zwei potenzielle Risiken mit sich: Eine Normalisierung der Risikoprämien in den kommenden Jahren wird überproportionale Kursverluste bei Anleihen risikoreicherer Emittenten mit sich bringen. Zudem geht ein schlechteres Rating einher mit potenziell höheren Ausfallraten, die derzeit - trotz der Coronakrise - auf einem moderaten Niveau liegen, wie die EZB im "ESRB Risk Dashboard" vom März aufzeigt:
Eine weitere Möglichkeit für höhere Zinserträge bieten längere Laufzeiten. Dies bedeutet jedoch zum einen, die Niedrigzinsen für einen längeren Zeitraum festzuschrieben, zum anderen sind die sich aus steigenden Zinsen ergebenden möglichen Kursverluste umso höher, je niedriger das Renditeniveau und je länger die Restlaufzeit der Anleihe ist. Mehr zu diesen Effekten in den folgenden Absätzen.
Erzielung von Kursgewinnen
Anleihen waren in den vergangenen Jahren aufgrund des sinkenden Zinsniveaus gut dafür, (teils temporäre) Zusatzerträge aus Kursgewinnen zu generieren, die die niedrigen Zinserträge teilweise kompensierten. Mit einem wieder steigenden Renditeniveau erwächst aus der bisherigen Ertragschance das Risiko von deutlichen Kursverlusten. Sowohl das sinkende Renditeniveau als auch lange Anleihelaufzeiten erhöhen die mit steigenden Zinsen einher gehenden potenziellen Anleihekursverluste deutlich.
Die nachfolgende Grafik zeigt, wie hoch der prozentuale Kursverlust bei einem Anstieg der Rendite um 100bp bei unterschiedlichen Renditeniveaus (X-Achse) und Restlaufzeiten ausfällt (Lesebeispiel: bei einem Renditeniveau von 1% führt ein Renditeanstieg um 100bp bei einer Anleihe mit 20 Jahren Restlaufzeit zu einem Kursverlust von über 16%):
Es ist deutlich erkennbar, dass lange Laufzeiten bei einem niedrigen Renditeniveau zu überproportional hohen Kursverlusten führen. Aufgrund des derzeitigen niedrigen Renditeniveaus dauert es zudem auch überdurchschnittlich lange, bis ein Kursverlust wieder aufgeholt wird (die Grundlage der nachstehenden Grafik ist eine Anleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren und Kupon=Rendite; ein Kupon oberhalb der Rendite würde den jeweiligen Zeitraum verringern):
Es dauert somit fast sieben Jahre, bis bei einem Renditeniveau von 0,5% ein durch einen Renditeanstieg um 100bp ausgelöster Kursverlust wieder ausgeglichen und unter Berücksichtigung der Kupons und deren Wiederanlage zur neuen Rendite das ursprüngliche Niveau wieder erreicht ist. Anleihen mit höheren Kupons und entsprechend höheren Wiederanlagen aus diesen Kupons reduzieren diesen Zeitraum entsprechend.
Die Kompensation des Zinsertrags durch den Wechsel in längere Laufzeiten (und damit höhere Kupons) ist in einem Umfeld, in dem das Zinsniveau eher moderat oder gar stark steigt als fällt, mit erhöhten Kursrisiken behaftet und nicht empfehlenswert.
Reduzierung der Portfoliovolatilität
Anleihen im allgemeinen (idiosnykratische Ereignisse, ein Unternehmen betreffend, ausgenommen) weisen eine deutlich niedrigere Volatilität auf als Aktien. Das ist auch weiterhin der Fall. Ein anderer Aspekt, der Zusammenhang zwischen der Entwicklung am Anleihen- und am Aktienmarkt ist jedoch volatil, wie der Vergleich zwischen der 10 jährigen Bundrendite und dem Euro Stoxx 50 der vergangenen gut 3 1/4 Jahre zeigt:
Während in der ersten Jahreshälfte 2019 noch eine klar gegenläufige Entwicklung zu sehen war (Aktienkurse steigen, Zinsen fallen ==> Kursgewinne in beiden Asset Klassen), hat sich dies in der zweiten Jahreshälfte und im Laufe von 2020 umgekehrt und wir sehen eine gleichläufige Entwicklung (Aktienkurse steigen, Zinsen steigen ==> Kursgewinne Aktien vs Kursverluste Anleihen).
Wirft man einen Blick auf die Korrelation zwischen Aktien (Euro Stoxx 50) und Anleihen (Index für langlaufende, >10 Jahre, deutsche Staatsanleihen: DB EUROGOV Germany 10+ Index in EUR), so zeigt sich, dass diese nicht stabil ist und bei kürzeren Betrachtungszeiträumen teils sogar in den positiven Bereich läuft. Eine positive Korrelation bedeutet, dass sich Aktien- und Anleihekurse gleichgerichtet (d.h. beide verlieren oder gewinnen) bewegen, was natürlich nicht im Sinne einer Portfoliodiversifikation ist. Die nachfolgenden Grafiken zeigt die Korrelation bezogen auf 22 Handelstage (etwa ein Monat) sowie bezogen auf 252 Handelstage (etwa ein Jahr), basierend auf den Tagesrenditen:
Erwartungsgemäß ist die Korrelation für den kürzeren Betrachtungszeitraum (22 Tage) volatil, während sie für den langen Betrachtungszeitraum (252 Tage) vergleichsweise stabiler ist. Aber auch sind die Kurskapriolen gut erkennbar und es gibt bemerkenswerte Schwankungen in der Korrelation und damit auch im Beitrag der Anleihen zu einem weniger volatilen Aktien-/Anleihen-Portfolio.
Sollte die Inflation anziehen (siehe hierzu auch unseren Artikel "Inflation oder Deflation - in welcher Zeit befinden wir uns?"), sollten Anleihen zwar auch weiterhin dazu beitragen, die Volatilität des Portfolios zu reduzieren. Allerdings können Kursverluste die Gesamtperformance schmälern und den positiven Effekt einer geringeren Volatilität zunichte machen. Ebenso führen veränderte Korrelationen zu schwer prognostizierbaren Diversifikationsbeiträgen im Portfolio.
Die Argumente, die für die klassische Portfolioallokation sprechen, haben an Gewicht verloren und Anleihen können nicht mehr generell als "sicherer Hafen", für den nicht wenige sie immer noch halten, angesehen werden. Was aber tun?
Es gibt verschiedene Lösungsansätze, um hiermit umzugehen:
* Dynamischere Anleihen-Allokation bzw. Absicherung von Zinsrisiken
* Teilweiser Ersatz des Anleiheanteils durch Edelmetalle und/oder Commoditys
* Verstetigung der Erträge aus dem Aktienanteil des Portfolios durch dynamischere Anpassung des Aktienanteils
* Wechsel in variabel verzinsliche Anleihen: Diese haben zumindest das Potenzial haben, im steigenden Zinsumfeld positive Kupons zu generieren, bringen aber ihrerseits spezifische Risiken mit sich, wie wir bereits dargestellt haben (der Link befindet sich unten im Artikel)
Welcher Weg gewählt wird, hängt vom individuellen "Setting" ab. Gern unterstützen wir Sie dabei, entsprechende Ansätze in Ihre spezifische Portfolioallokation zu integrieren. Sprechen Sie uns an!
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