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Risiken
Was sind Marktpreisrisiken?

In einem früheren Artikel haben wir einen Überblick über die Risiken der Banken gegeben. Wir möchten nun in einer losen Artikelreihe die einzelnen Risikoarten näher beleuchten. Den Anfang machen mit diesem Artikel die Marktpreisrisiken.

Was sind Marktpreisrisiken?

Marktpreisrisiken bezeichnen das Risiko von Verlusten aufgrund von Veränderungen in Marktpreisen. Marktpreise können sein: Zinssätze (diese sind sehr spezifisch, z.B. der Zinssatz für eine Geldanlage mit einer Laufzeit von 6 Monaten oder Zinssatz für ein Zinsderivat mit einer Laufzeit von 10 Jahren), Wechselkurse (z.B. der EUR/USD-Wechselkurs), Aktienkurse (z.B. der Aktienkurs von Apple) sein. Dies sind einige Beispiele, mehr im folgenden Artikel.

Grundsätzlich lassen sich Marktpreisrisiken also in verschiedene Unterkategorien unterteilen. Diese haben jeweils spezifische Herausforderungen und Eigenschaften. In diesem Artikel gehen wir auf diese einzelnen Kategorien ein und legen den Schwerpunkt auf das üblicherweise relevanteste Marktpreisrisiko bei Banken, das Zinsänderungsrisiko.

Was sind Zinsänderungsrisiken?

Zinsänderungsrisiko bezeichnet das Risiko, dass Verluste aufgrund von veränderten Zinssätzen entstehen. Aber warum ist die Veränderung von Zinsen überhaupt ein Risiko?

Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden:
Angenommen, eine Bank vergibt einen 5-jährigen Kredit an einen Kunden zu einem Zinssatz von 3% (d.h. der Kunde zahlt einen Znssatz von 3% pro Jahr). Kurze Zeit später steigt der Marktzins und die Bank könnte einen 5-jährigen Kredit zu einem Zinssatz von 4% vergeben. Was bedeutet dieser allgemeine Zinsanstieg für den vergebenen Kreidt aus Sicht der Bank? Sie erhält für den Kredit in den kommenden fünf Jahren einen Zinssatz von 3% pro Jahr. Hätte sie diesen Kredit aber später - nach dem Zinsanstieg -  vergeben, hätte sie einen Kredit zu einem Zinssatz von 4% pro Jahr abschließen können. Der höhere Zinssatz ist für die Bank in diesem Beispiel also negativ, da sie nur 3% pro Jahr anstelle von 4% erhält. Der vergebene Kredit hat aus der Sicht der Bank also an Wert verloren. Daher sind steigende Zinsen für Banken immer dann negativ, wenn sie Geld verliehen haben - sei es über vergebene Kredite oder den Kauf von Anleihen. Finanzmathematisch ergibt sich dieser Zusammenhang übrigens durch einen reduzierten Barwert.

Wenn sich die Bank Geld leiht, also selbst einen Kredit aufnimmt, ist es genau umgekehrt: Hat sie sich Geld geliehen (dies bezeichnet man als "Refinanzierung") und anschließend steigen die Zinsen, ist das positiv für die Bank. Denn der Zinssatz, den die Bank für die aufgenommene Refinanzierung bezahlt, ändert sich im Nachhinein nicht mehr. Steigen die Zinsen, bezahlt die Bank trotzdem nur den ursprünglich vereinbarten, geringeren, Zinssatz und kann ihrerseits höhere Zinssätze für Kredite an Kunden verlangen. Die Refinanzierung hat aus Sicht der Bank an Wert gewonnen.

Ob eine Bank nun von steigenden oder fallenden Zinsen profitiert, hängt davon, welche Volumen über welche Laufzeiten die Bank verliehen oder selbst geliehen hat.

Beispiel Silicon Valley Bank

Beispielhaft lässt sich die Funktionweise von Zinsänderungsrisiken, wenn sie schlagend werden, am Fall der Silicon Valley Bank (SVB) betrachten. Die SVB hatte in einer Phase historisch niedriger Zinssätze in langfristige festverzinsliche Anleihen investiert. Dies ist vergleichbar mit Krediten, die die SVB über den Kapitalmarkt vergeben hat. Sie erhält also einen fest fixierten (niedrigen) Zinssatz für die Anleihen. Für die SVB wurde dies zum Problem, als die Zinssätze in den USA und weltweit rapide anzusteigen begannen: Der Anleihen fielen erheblich im Wert.

Der Mechanismus für den Wertverlust ist wie oben beschrieben: Der Zinssatz der durch die SVB gekauften Anleihen ist fest und kann sich nicht mehr verändern, auch wenn die Zinsen deutlich ansteigen. Bei steigenden Zinsen jedoch reduziert sich der Wert dieser gekauften alten Anleihen. Denn neue Anleihen bieten einen höheren Zinssatz, sodass die im Bestand der SVB befindlichen Anleihen entsprechend unattraktiv wurden und im Wert verloren.

Zugleich sah sich die SVB mit steigenden Auszahlungsanforderungen ihrer Kunden konfrontiert (d.h. sie forderten ihr angelegtes Geld zurück), die größtenteils aus der Technologie- und Start-up-Branche stammten. Viele dieser Unternehmen benötigten liquide Mittel bei gleichzeitig geringeren Risikokapitalfinanzierungen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Um die Auszahlungsforderungen der Unternehmen zu erfüllen (also um den Unternehmen das Geld auszuzahlen), musste die Bank Teile ihrer Anleihen verkaufen. Die Verkäufe waren aber nur unter Inkaufnahme deutlicher Verlusten möglich.

Die Bank war dadurch zeitgleich mit einem Vertrauensverlust, Einlagenrückforderungen und Verlusten konfrontiert. Über das Einwerben von neuem Kapital sollte das Vertrauen zurückgewonnen werden - jedoch ohne Erfolg. Dies zeigt, wie schlagend werdende Zinsänderungsrisiken in Kombination mit einem schlechten oder gänzlich fehlendem Risikomanagement eine Bank in die Krise führen können. Ein aktives Management der Zinsänderungsrisiken und eine Absicherung gegen steigende Zinsen hätte die Anleihenverluste vermeiden können.

Erläuterung der übrigen Teilrisiken

Wechselkursrisiken

Diese entstehen, wenn Banken Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten in Fremdwährung haben. Hierzu ein Beispiel: Angenommen, eine Bank hat eine Immobilie in den USA für 10 Mio. USD gekauft. Beim Kauf der Immobilie lag der EUR/USD-Kurs bei 1,10 (1 EUR = 1,10 USD). Die Immobilie hatte in EUR somit einen Wert von etwa 9,09 Mio. EUR (10 Mio. USD / 1,10 EUR/USD). Ein Jahr später ist der Wert der Immobilie in USD unverändert, aber der EUR/USD-Wechselkurs liegt nun bei 1,05 EUR/USD. Der Wert der Immobilie in EUR verändert sich somit auf etwa 9,52 Mio. EUR - ein Gewinn von etwa 0,43 Mio. EUR. Dieser Mechanismus ist grundsätzlich für alle Geschäfte in Fremdwährung relevant.

Aktienkursrisiken

Banken, die Aktien gekauft haben oder über derivative Geschäfte an Veränderungen von Aktienkursen partizipieren, haben Aktienkursrisiken. Dies lässt sich intuitiv leicht verstehen: Eine Bank, die 1.000 Aktien eines Unternehmens zu einem Kurs von 100 EUR gekauft hat, hat ursprünglich 100.000 EUR (1.000 Aktien x 100 EUR) bezahlt. Fällt der Kurs der Aktie auf beispielsweise 80 EUR, so sind die 1.000 Aktien nur noch 80.000 EUR (1.000 Aktien mal 80 EUR) wert - ein Verlust von 20.000 EUR.

Sonstige Risiken
Daneben gibt es noch spezielle Risiken, wie insbesondere Credit Spread- und Volatilitätsrisiken. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei Credit Spread-Risiken um das Bonitätsrisiko von Unternehmen, deren Anleihen Banken gekauft haben. Verschlechtert sich die Bonität von diesen Unternehmen, so verlieren die Anleihen an Wert. Volatilitätsrisiken kommen beispielsweise aus Optionen (derivative Instrumente), die Banken ge- oder verkauft haben. Aber auch im Kundengeschäft, wenn Kunden Kredite vorzeitig zurückzahlen oder diese sondertilgen können, entstehen Volatilitätsrisiken.


Ein konkretes Beispiel

Die zuvor theoretisch beschriebenen Risiken sollen anhand des Risikoberichts der drittgrößten deutschen Bank, der KfW, greifbarer gemacht werden. Im Risikoberichtsteil der KfW-Geschäftsberichts für das Jahr 2023 findet sich folgende Aufstellung:


Das Marktpreisrisiko beläuft sich also in Summe auf 5,615 Mrd. EUR. Die Zahl allein sagt ohne Einordnung nichts aus. Hierzu schreibt die KfW im Geschäftsbericht: "Die Haltedauer liegt einheitlich bei zwölf Monaten ... Zudem erfolgt eine Skalierung auf das Zielquantil (99,9 %)." Was heißt das nun? Das heißt, dass innerhalb eines Jahres (12 Monate) mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9% ("Zielquantil") kein Verlust von mehr als 5,615 Mrd. EUR aus schlagend gewordenen Marktpreisrisiken entstehen wird. Oder anders ausgedrückt: Ein Mal in 1.000 Jahren wird - rein statistisch - innerhalb eines Jahres ein Verlust von mehr als 5,615 Mrd. EUR aus Marktpreisveränderungen resultieren.

Schaut man sich die Tabelle näher an, stellt man fest, dass die Summe aller Marktpreisrisiko-Einzelteile nicht dem angegebenen Marktpreisrisiko entspricht und sich nur ergibt, wenn man den negativen "Zerlegungseffekt" berücksichtigt. Doch was ist das? Dieser Effekt berücksichtigt, dass nicht alle Risiken gleichzeitig in voller Höhe auftreten werden. So werden beispielsweise Wechselkursverluste und Verluste aus Veränderungen in den Zinsen nicht in voller Höhe gleichzeitig eintreten. Vielmehr werden sich Effekte gegeneinander ausgleichen. Dies wird durch den "Zerlegungseffekt" bzw. "Diversifikationseffekt" in der Einzeldarstellung der Teilrisikoarten berücksichtigt.

Zusammenfassung

Unter Marktpreisrisiken werden eine Reihe von Risiken zusammengefasst und bezeichnen das Risiko, dass aufgrund der Veränderung von Marktpreisen Verluste entstehen. Das bei Banken in der Regel bedeutendste Risiko ist das Zinsänderungsrisiko. Der mögliche Verlust, wenn das Risiko schlagend wird, wird bezogen auf einen Zeitraum und einen Wahrscheinlichkeit angegeben.

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